Urwald von morgen

Der Goddelsberg bei Rhena

Der Goddelsberg, unmittelbar am nordwestlichen Ortsrand von Rhena gelegen, ist mit seiner Höhe von 525 Metern ein typischer Vertreter der zahlreichen Kuppen des Waldecker Voruplandes, die diesem Teil des Naturparks Diemelsee ein charakteristisches, abwechslungsreiches Landschaftsbild verleihen.

 

 

 

 

"Der Urwald von morgen", HNA-Bericht vom 15.07.2011
"Der Urwald von morgen", HNA-Bericht vom 15.07.2011

Bedingt durch seine Höhenlage erhält der Goddelsberg ca. 850 mm Niederschlag, die Jahresmitteltemperatur liegt bei 5,9° C. Daraus resultiert ein submontan bis montan getöntes Berglandklima.

 

Die Kuppe wird heute von einem artenreichen, ca. 10 ha großen Mischwald bedeckt. Bedingt durch die im Südwesten und Norden steilen Hänge und die dadurch erschwerte Zugänglichkeit war der Goddelsberg schon immer Grenzwirtschaftswald.

 

Genutzt wurde der Goddelsberg in früherer Zeit als Nieder- bzw. Mittelwald. Die Gewinnung von Brennholz und Bauholz führte im Mittelalter zu weitgehend flächiger Entwaldung.

 

Kleinere, ortsnahe Bauernwälder blieben aber oft erhalten. Dort wurden die Bäume meist in regelmäßigen Abständen (8-12 Jahre) auf den Stock gesetzt und als Brennholz verwendet. Anschließend kam es immer wieder zu erneuten Stockausschlägen. Daher ist anzunehmen, dass viele der großen Wurzelstöcke schon mehrere hundert Jahre alt sind.

 

Im nordöstlichen Bereich lassen einige bizarr gewachsene Bäume mit sehr großen ausladenden Kronen vermuten, dass dieser Bereich als Hutung genutzt wurde. In früherer Zeit wurde das Vieh im Spätherbst in die Wälder getrieben. Die lichten Altholzbestände erwiesen sich als nahrungsreicher als das Offenland. Jungbuchen, Bucheckern, Eicheln, Himbeer- und Brombeersträucher boten dem Vieh zusätzliche Nahrung für die anstehende lange, kalte Jahreszeit. Erst zwischen 1800 und 1850 wurden Wald und Weide offiziell getrennt.

 

Am Nordhang befand sich bis Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts noch eine teils verbuschte, teils mit Einzelbäumen durchsetzte Viehweide. Diese wurde wegen schlechter Ertragslage aufgegeben und mit Douglasien bestockt. Die aus Nordamerika stammende Douglasie, die erst nach 1820 nach Europa gebracht wurde, besitzt ein relativ robustes, widerstandfähiges Holz. Aus Naturschutzsicht bietet sie aber nur wenigen Arten Lebensraum und Nahrung. Um die Entwicklung eines naturnahen Laubmischwaldes nicht zu stören, werden die Douglasien in den nächsten Jahren entnommen.

 

Seit dem Anfang der achtziger Jahre hat keine forstliche Nutzung mehr stattgefunden. Mittlerweile hat sich bereits ein reichhaltiges Angebot an Totholz herausgebildet. Totholz bildet ein wichtiges Strukturelement naturnaher Wälder. Es bietet während seiner Zersetzung zahlreichen Tierarten Lebensraum und Nahrung. Dabei werden liegende Stämme meist von anderen Arten besiedelt als stehende.

 

Das Waldbild wird überwiegend durch die Rotbuche bestimmt. Mit einem Alter von unter 130 Jahren sind die Bäume auf dem größten Teil der Fläche noch vergleichsweise jung. Rotbuchen in Urwäldern können mehr als doppelt so alt werden. Die höher gelegenen Südhänge werden von der Traubeneiche dominiert. Als weitere Mischbaumarten sind Stieleiche, Hainbuche, Esche und Berg-Ahorn am häufigsten.

 

Eine gute Durchmischung mit möglichst vielen verschiedenen Baumarten unterschiedlichen Alters erhöht die Stabilität eines Ökosystems, umso besser können negative Einflüsse, wie z.B. Sturmschäden und Schädlinge, abgepuffert werden.

 

Aufgrund des vielseitigen Höhlenangebotes sind Kohl- und Blaumeise sowie der Kleiber sehr stark vertreten. Es folgen Sumpf- und Weidenmeise sowie die kleine Tannenmeise.

 

Als Langstreckenzieher aus dem tropischen Afrika ist der europaweit stark rückläufige Trauerschnäpper noch regelmäßiger Brutvogel.

 

Buchfink, Waldlaubsänger, Kernbeißer und einige Drosselarten sind als Freibrüter ebenso anzutreffen wie Waldkauz, Buntspecht und Grauspecht.

Im Rahmen langjährig geplanter Untersuchungen der Haselmausbestände richtet die Naturschutz-Akademie Hessen momentan ihr Augenmerk auf den Goddelsberg.

 

Es wurden spezielle Nistgeräte angebracht, die im Spätsommer gerne Haselmäuse und Siebenschläfer als trockene Tagesquartiere nutzen. Damit möchte man die Bestände dieser europaweit besonders geschützten Arten stützen.

Die mitteleuropäische Landschaft ist seit Jahrtausenden durch uns Menschen tief greifend verändert worden. Unberührte Wälder gibt es schon seit langem nicht mehr. Eine Vorstellung von natürlicher Waldentwicklung können wir daher nur gewinnen, indem wir Waldgebiete aus der Bewirtschaftung entlassen, sodass sie sich selbst zum Naturwald entwickeln können.

 

Der NABU hat mit Unterstützung der Unteren Naturschutzbehörde den Goddelsberg erworben und die Weichen für die Entwicklung zu einem kleinen Naturwald gestellt. Bis er sich aber zu einem „Urwald von morgen" entwickelt hat, werden noch Jahrzehnte vergehen. Berücksichtigt man die lange Dauer von Entwicklungsprozessen im Wald, dann ist klar, dass das Gebiet erst am Anfang seiner Entwicklung zum Naturwald steht. Einzelne Veränderungen sind bereits jetzt deutlich zu erkennen. Wir dürfen gespannt sein, welche neuen Erkenntnisse uns der „Urwald von morgen" in Zukunft bringen wird.

 

 

Goddelsberg im Winter
Goddelsberg im Winter